SteamOS: Mehr als nur ein weiteres Derivat

  Peter   Lesezeit: 5 Minuten  🗪 14 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Warum man SteamOS auch als nicht-Gamer im Auge behalten sollte.

steamos: mehr als nur ein weiteres derivat

Dieser Artikel soll euch einen kleinen Überblick über das Arch-basierte SteamOS geben. Denn auch wer mit Gaming nicht viel anfangen kann, sollte die Entwicklungen zumindest im Auge behalten. Warum das so ist, erfährst du in diesem Beitrag.

Vom ungeliebten Zwang zum unverzichtbaren Werkzeug

Die Applikation «Steam» von Valve umfasst im Kern einen Online-Shop, eine Bibliothek und einen Commnity-Hub. In der Bibliothek werden sämtliche Spiele aufgelistet, die im Shop gekauft wurden und lassen sich dort verwalten und direkt starten. In die Bibliothek lassen sich zudem auch Steam-fremde Spiele einbinden, die irgendwo auf der Festplatte liegen.

Seit 2004 ist ein Steam-Client (mit dem damit verbundenen Benutzeraccount) Pflicht, will man Valve-Games nutzen. Damals, mit der Veröffentlichung des heiss begehrten Half-Life 2, wurde der Accountzwang als Ungeheuerlichkeit empfunden. Aber man wollte halt dieses Spiel spielen und erstellte den Account zähneknirschend (so auch der Schreibende). Bereits 2015 zählte Steam über zehn Millionen gleichzeitige Nutzer. 2019 umfasste Steam nach Angaben von Valve bereits über eine Milliarde aktive Benutzerkonten.

Verschiedene andere Publisher versuchten und versuchen, Steam den mittlerweile marktbeherrschenden Rang im PC-Gaming abzulaufen. Da sie ihre Bibliotheken und den Shop aber strikt auf ihre eigenen Produkte beschränken, blieben durchschlagende Erfolge für Uplay, EA Play oder Battlenet aus. Die einzige ernst zu nehmende Konkurrenz – mit einem anderen Geschäftsmodell – ist wohl nur der GamePass von Microsoft, der in den Nutzerzahlen aber ebenfalls weit zurückliegt.

Heute kann man sagen: Wer irgendwo auf der Welt am PC spielt, kennt mit Sicherheit Steam. Und wer sich nur ein kleines bisschen mit News beschäftigt, kann sich auch unter SteamOS sofort etwas vorstellen.

Durchbruch mit dem Steam Deck

Ursprünglich basierte SteamOS auf Debian und war für den Einsatz auf der kommerziell gescheiterten Steam Machine entwickelt worden. 2021 wechselte Valve für SteamOS auf die Arch-Kerndistribution und lieferte ihre neuen Steam Decks damit aus. Das Steam Deck wurde ein durchschlagender Erfolg und machte SteamOS mit einem Schlag weltweit bekannt.

Beim Start des Steam Deck gelangt man direkt in den «Big Picture-Mode» von Steam, der für die Bedienung mit Controllersteuerung optimiert wurde. Dank SteamOS haben die User jederzeit und sofort Zugriff auf bestimmte Kernfunktionen wie Displayhelligkeit, Upscaling-Optionen, Netzwerkverbindungen, uvm.

Über das Menü lässt sich zudem zum Desktop-Mode wechseln. Big Picture wird damit beendet und man gelangt zu einem ganz gewöhnlichen KDE-Desktop, der direkt auf dem Steam Deck oder mit Monitor, Maus und Tastatur wie ein gewöhnlicher Desktop-Rechner genutzt werden kann.

Das auf dem Steam Deck vorinstallierte SteamOS verzichtet mit wenigen Ausnahmen auf alles, was für den Betrieb des Decks nicht zwingend erforderlich ist. Mit der Installation von Druckern oder anderen Grafikkarten wäre es also nicht ganz so einfach. Zudem ist SteamOS als Immutable konzipiert: über den Paketmanager installierte Software bleibt zwar erhalten, wer aber zu tief ins System eingreift, verliert die Änderungen mit dem nächsten Neustart.

Im Jahr 2025 wird Valve SteamOS für den Einsatz ausserhalb des SteamDeck zur Verfügung stellen. Das könnte eine interessante Option für jene sein, die sich eine eigene «Spielkonsole» bauen möchten: Gaming-PC zusammenbauen, SteamOS installieren, am Fernseher anschliessen, fertig. Die Bedienung über einen Gamecontroller dürfte bisher unerreicht intuitiv sein. Ob SteamOS auch für den Einsatz an normalen Desktop-Rechner interessant wird, muss sich noch zeigen.

Schön und gut, aber was geht mich das an?

Der Milliardenkonzern Valve investiert mit Proton und SteamOS sowie seinem Beitritt zur Linux Foundation gerade enorme Summen in sein strategisches Ziel, ein Linux-basiertes Gaming-Ökosystem aufzubauen. Hunderte Millionen Menschen auf der ganzen Welt nehmen diese Entwicklung wahr. Derweil kommt das bei Gamern fast ausschliesslich genutzte Microsoft Windows kaum aus den negativen Schlagzeilen heraus. Mit dem Ende des Windows 10-Supports Ende 2025 könnte sich dieser Trend noch verstärken.

Sollte Valve seine Linux-Produkte weiter in hohem Tempo verbessern können, und sollte Microsoft seine Privat- und Business-Kunden weiter verägern, braucht es nur noch einen grossen (und mutigen) PC-Hersteller, der seine Produkte mit SteamOS ausliefert. Dann könnten die Dämme rasch brechen und tausende bisherige Windows-User zu Linux umziehen.

Die Frage dann wird aber: Will die etablierte Linux-Community diese User überhaupt haben? Thema für einen anderen Artikel.

Das ist mein erster Artikel auf gnulinux.ch. Danke, dass du bis hierhin gelesen hast! Interessiert dich das Thema? Würdest du dir weitere Inhalte zum Thema Gaming unter Linux wünschen? Und was denkst du: Wird die Linux-Community bald um einige Millionen Menschen grösser? Lass es uns in den Kommentaren wissen, vielen Dank im Voraus!

Quellen:

Wikipedia, Steam: https://de.wikipedia.org/wiki/Steam

Beitrag gnulinux.ch, SteamOS wechselt auf Arch: https://gnulinux.ch/steamdeck-setzt-auf-arch

Lenovo Legion Go S wird erstes nicht-Valve-Produkt mit SteamOS: https://www.gamestar.de/artikel/der-naechste-handheld-mit-steamos-valve-wird-bei-gast-bei-lenovo-event-sein,3424952.html

Tags

gaming, steamos, steam, arch, valve, windows

Gentooexperte
Geschrieben von Gentooexperte am 14. Januar 2025 um 10:21

Ich finde, es sollte nichts über diese proprietäre DRM-Software berichtet werden. Dieser Onlineshop verkauft keine Spiele, wenn er demnächst mal geschlossen wird, sind auch die „gekauften“ Telespiele weg. Ich würde mir wünschen, Linux würde diese Always-Online Datenkraken konsequent aussperren.

Alex
Geschrieben von Alex am 14. Januar 2025 um 10:47

Das stimmt, Steam vergibt nur eine Nutzungslizenz für Spiele, die allerdings ohne eine zeitliche Limitierung auskommt. Bis jetzt ist bei mir z.B. in 20 Jahren kein einziges Spiel aus meiner Bibliothek "verschwunden". Steam ist also sehr verlässlich.

Steam wird bei dem Milliardenumsatz den der Shop generiert ganz sicher niemals geschlossen, da brauchen Sie sich keine Sorgen machen. :)

Spieleshops wie GOG, die auf DRM verzichten, haben nur einen kleinen Bruchteil der Spiele, die es am Markt gibt. Aktuelle Spiele und auch Triple A Spiele werden nicht ohne DRM erscheinen, da es ein Kopierschutz ist, der ja auch Sinn macht.

Nie vergessen sind die Zeiten in denen Computer wie der Commodore 64 und der Amiga 500 für viele Spielehersteller unattraktiv geworden sind, weil die Benutzer sämtliche Spiele kopiert und weiter verbreitet haben und damit den Herstellern einen großen finanziellen Schaden zugefügt haben.

Erst Steam hat mit seinem konkurrenzlosen Game-Shop, in dem die Spiele ständig aktuell bleiben und automatisch upgedated werden ein erfolgreiches System aufgebaut, indem DRM eigentlich nicht mehr notwendig wäre, da der Shop für die Benutzer so bequem und benutzerfreundlich ist, dass alleine schon deshalb das Kopieren von Spielen unattraktiv geworden ist.

Übrigens bietet Steam auch viele DRM freie Spiele an, es liegt an den Herstellern der Spiele, ob sie DRM einsetzen möchten oder nicht.

V wie Vendetta
Geschrieben von V wie Vendetta am 14. Januar 2025 um 13:26

Ja, Steam betrachte ich auch kritisch. Die Spiele sind nur gemietet, im Gegensatz zu GOG kann man die Exe-Dateien also nicht archivieren. Der Steam-Kopierschutz schützt gar nichts und kann in wenigen Minuten ganz einfach ausgehebelt werden. Mods werden per Steam Workshop eingesperrt und GoG/Epic-Nutzern vorenthalten. Das ist natürlich auch die Schuld der Modder, die leider nicht vorausschauend/sozial denken. Steam und Bethesda wollten Mods auch mal verkaufen, natürlich ohne darüber nachzudenken, wie es mit Gewährleistungen und längerfristigen Folgen aussieht. Der Schuss ging nach hinten los. Der Steam Multiplayer schließt natürlich die Konkurrenz aus.

vinzv
Geschrieben von vinzv am 14. Januar 2025 um 15:01

> Always-Online Datenkraken

Du kannst Steam Spiele ab dem Moment der Installation problemlos offline spielen.

> Ich würde mir wünschen, Linux würde diese Always-Online Datenkraken konsequent aussperren.

Wer ist denn dieses Linux, dass deiner Meinung nach etwas für dich tun sollte?

Pascal
Geschrieben von Pascal am 14. Januar 2025 um 17:31

Danke für den spannenden Artikel, Peter! Ich finde es grossartig zu sehen, wie Valve mit SteamOS den Linux-Kosmos vorantreibt.

Ob die etablierte Linux-Community all diese neuen User überhaupt haben will, ist für mich eine ziemlich müssige Frage. Linux ist frei, und genau das macht es so wertvoll: Wer möchte, kann im Sinne des FOSS-Konzepts jederzeit eine eigene Nische (oder gar eine komplett eigene Distribution) schaffen. Je mehr Menschen sich für Linux interessieren, desto mehr spannende Projekte, Innovationen und Support wird es geben – ganz egal, ob sie sich als Teil der „alten Garde“ fühlen oder nicht. Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich das weiterentwickelt und freue mich schon auf deinen nächsten Artikel über die Erwartungshaltung dieser „etablierten Community“.

Matthias
Geschrieben von Matthias am 14. Januar 2025 um 20:44

Danke Peter für deinen ersten Artikel!

Ich bin zwar kein Gamer, verfolge das Thema trotzdem gern.

Meiner Meinung nach zeigt Steam mit SteamOS, dass Linux durchaus massentauglich sein kann. Zudem wird das auch weiter eine bessere Hardwareunterstützung fördern.

Mich freut es, wenn mehr Menschen dadurch mit Linux in Kontakt kommen. Und sicherlich wird dann auch die Neugierde des ein oder anderen geweckt...

Peter
Geschrieben von Peter am 14. Januar 2025 um 21:34

Danke für eure Rückmeldungen! Ich finde es hochinteressant, welch völlig unterschiedliche Meinungen es hier und bei Mastodon zu diesem Thema gibt. Könnte eine spannende Diskussion werden... ;)

Patrick
Geschrieben von Patrick am 15. Januar 2025 um 00:07

Danke an Peter für den ersten Artikel. Ich finde es gut, wenn auch über Projekte ausserhalb des OSS-Kosmos berichtet wird.

Meine Sicht darauf ist die, daß gerne kritisch berichtet werden darf, damit jeder beurteilen kann, mit was (Software/Distribution) und wem (Anbieter/Programmierer/Firma) man unter Linux arbeitet. Die Entscheidung, was benutzt wird, sollte dann jedem selbst überlassen werden. Aussagen wie "...Linux würde diese Always-Online Datenkraken konsequent aussperren." sind mir zu fundamentalistisch und einschränkend.

evilware666
Geschrieben von evilware666 am 15. Januar 2025 um 06:21

Moin Moin!

Danke für deine Arbeit, sehr gerne würde ich mehr über das Thema Linux und Gaming erfahren. Ich selber denke nicht, dass wir in absehbarer Zeit von Ex-Win-Gamern überrannt werden.

Mfg: evilware666

Christian Becker
Geschrieben von Christian Becker am 15. Januar 2025 um 07:19

Gut, man kann Steam und Valve gegenüber kritisch sein. Ich selbst bevorzuge es auch, die Spiele "richtig" runterladen zu können, wie z.B. bei GoG. Man darf aber nicht verkennen, dass die Offenheit von Valve gegenüber Linux schon einige Effekte gezeigt hat. So werden mittlerweile erstaunlich viele Spiele von Anfang an auch nativ für Linux entwickelt. Die verbleibenden Spiele laufen oft mit Proton problemlos. Die Entwicklung von SteamOS hilft der Entwicklung von Linux allgemein, z.B. auf Seiten der Hardwareunterstützung.

Abgesehen von diesen Linuxspezifika funktioniert Multiplayer unter Steam einfach super.

Klar, Valve ist ein Konzern und möchte $$$ einfahren - und tut das wohl auch massig.

Bernhard E. Reiter
Geschrieben von Bernhard E. Reiter am 16. Januar 2025 um 09:40

Danke für den Artikel!

Der große Verdienst von Valve ist, dass sie Wine, in der Variante Proton, so weit verbessert haben, dass 80-90% der Top 1000 Steam-Spiele auf GNU/Linux Systemen gespielt werden können. Und zwar ohne Windows Lizenz. Siehe https://media.ccc.de/v/2024-396-die-zeit-fr-gaming-auf-linux-ist-jetzt-#t=757

Wer also Mainstream-Spiele spiele möchte, kann das nun ohne einen Microsoft-Rechner machen.

Die Verbesserungen an den Grafikkartentreibern und Wine sind Freie Software - so weit mir bekannt, kommen also allen GNU/Linux Distributionen zu Gute. Hier überschneiden sich die Interessen von Value mit denen von Freier Software, wenn Microsoft Steam ausschließen würde, wären sie erpressbar, also versuchen sie eine Alternative aufzubauen.

Die meisten Windows-Spiele gehen übrigens nicht, weil die Spiele-Hersteller hart dagegen arbeiten.

Gruß Bernhard

Bernhard E. Reiter
Geschrieben von Bernhard E. Reiter am 16. Januar 2025 um 09:43

Den letzten Satz besser formuliert: Von den 12% der Spiele die nicht gehen, sind es vor allem die Spiele-Hersteller die blocken - teil mit fadenscheinigen Begründungen.

Es gibt sogar für Windows programmierte Spiele, welche unter Proton besser laufen, als unter Windows. (Siehe verlinkten Vortrag).

Herr_Dyyhl
Geschrieben von Herr_Dyyhl am 18. Januar 2025 um 21:45

Danke für deinen Artikel, @Peter.

Ich denke, daß SteamOS Linux für einige (in Zukunft hoffentlich viele) Softwarehersteller relevanter macht. Dadurch besteht die Möglichkeit, Zugang zu Software zu bekommen, die uns sonst verwehrt gewesen wäre. Ein Markt muss ja bedient werden. Ich finde es sehr spannend, daß man das Steam Deck auch als ganz normalen PC benutzen kann. Für maximal 680 Euro bekomme ich eine "Spielkonsole" und ein Linux System, mit dem ich ganz normal arbeiten kann. Das ist doch cool.

thomy46
Geschrieben von thomy46 am 23. Januar 2025 um 12:24

Ich bin (noch) kein Spieler -- aber nachdem mein Win10 PC nicht mehr wollte und mein Lapi immer langsamer wurde musste ich mir Gedanken machen : Habe mir einen Mini PC von MINIX gekauft. Da war schon Win11Pro drauf - zudem habe ich mich ca 25 Jahre zurück an SUSE erinnert - habe allen Mut zsammen genommen und einen USB Stik mit LinuxMint geladen und wieder Linux versucht. Ich kann nur sagen dass ich begeistert war und Win11 sofort gelöscht habe ... -- ich lerne mit meinen 79 Jahren wieder Linux und habe mich schon bei diversen Foren angemeldet.