Zum Wochenende: Toleranz-Paradoxon

  Ralf Hersel   Lesezeit: 5 Minuten  🗪 16 Kommentare Auf Mastodon ansehen

Wer das Unsagbare ins Sagbare verschiebt, überschreitet die Grenzen der Toleranz.

zum wochenende: toleranz-paradoxon

Wer ein Blog oder ein Magazin - wie GNU/Linux.ch - betreibt, braucht früher oder später Regeln (Netiquette), um das gemeinsame Miteinander in guten Bahnen zu halten. Was "gut" bedeutet, entscheiden Gesetze, die Verantwortlichen und die Community selbst. Wir haben mit wenigen und offensichtlichen Regeln begonnen und diese bis heute auf 17 Regeln erweitert. Die Regeln haben sich chronologisch entwickelt; sie begannen mit a, b, c und wurden viel später mit o, p, q ergänzt.

Die Regeln gelten für alle Inhalte und alle Beitragenden und alle Medien-Formate, die von GNU/Linux.ch moderiert werden. Da Fehler menschlich sind, kommt es auch bei unserer Redaktion oder dem CORE-Team vor, dass wir gegen die eigenen Regeln verstossen. Sofern diese beanstandet werden, korrigieren wir unsere Fehler.

Die frühen Regeln muss man nicht erklären. Da geht es um menschenverachtende Inhalte, Verstoss gegen Gesetze und Hass und Hetze. Der Sinn und die Bedeutung von bestimmten Regeln erschliessen sich einem nicht sofort. Aus aktuellem Anlass möchte ich eine dieser "schwierigen" Regeln in diesem Artikel beleuchten. In den Kommentaren zu einem Artikel aus dieser Woche wurde gegen die Regel (m) des Toleranz-Paradoxons verstossen.

Die Regel m lautet:

Im Sinne des Toleranz-Paradoxons dulden wir keine intoleranten Äusserungen, die die Toleranz untergraben, indem sie sich als solche ausgeben. Beispiel: Wenn Personengruppen diskreditiert werden und dies mit Toleranz oder dem Anspruch auf freie Meinungsäusserung gerechtfertigt wird, dulden wir das nicht.

Diese Regel wurde von Lioh aufgenommen und bestand zuerst nur aus dem Namen "Toleranz-Paradoxon" mit einem Link dazu. Später habe ich die Regel ausformuliert, um sie verständlicher zu machen. Ob sie nun verständlich genug ist, überlasse ich eurem Urteil.

In den Kommentaren zum erwähnten Artikel finden sich viele aktuelle und praktische Beispiele zum Toleranz-Paradoxon. Anstatt den Kommentierenden hier zu nennen, möchte ich lieber die bemerkenswerte Entgegnung von Naja (teilweise) zitieren:

Deine Anarchismus-Träume scheitern leider am Toleranz-Paradoxon ("Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen" Karl Popper). Sieht man ja schön in den USA, wo die angeblich libertären jetzt alles abschaffen wollen, dass ihnen nicht passt. Sehr freiheitlich kommt mir das nicht vor.

Naja zitiert darin den Philosophen Karl Popper, der das Paradoxon zuerst 1945 in seinem Buch "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" beschrieben hat. Wer sich zum Toleranz-Paradoxon informiert, stösst schnell an Grenzen. Zumeist werden die Argumente von Popper wiederholt, ohne dass man griffige Beispiele findet. Daher versuche ich, das nachzuholen.

Was bedeutet Toleranz? Ha, es gibt fast nichts, was es bei GNU/Linux.ch nicht gibt. Zur Bedeutung der Toleranz habe ich mit Christian Müller-Zieroth im September 2024 eine Podcastfolge aufgenommen. Dort definieren wir:

Toleranz, auch Duldsamkeit, bezeichnet ein Gewährenlassen und Geltenlassen anderer oder fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten. Umgangssprachlich meint man damit häufig auch die Anerkennung einer Gleichberechtigung, die aber über den eigentlichen Begriff („Duldung“) hinausgeht. Toleranz bezieht sich auf die Fähigkeit, Meinungen, Praktiken oder Verhaltensweisen zu ertragen, die von den eigenen abweichen.

Im Podcast differenzieren wir zwischen Toleranz und Akzeptanz, doch dieses Fass möchte ich jetzt nicht wieder aufmachen.

Der springende Punkt beim Toleranz-Paradoxon sind die Grenzen der Toleranz. Wäre Toleranz grenzenlos, würde sie sich selbst ad absurdum führen: "Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz". Wie funktioniert das?

Stellen wir uns eine sehr tolerante Gesellschaft vor. Diese Gesellschaft erlaubt auch intoleranten Gruppen, ihre Meinung zu äussern. Wenn die intoleranten Gruppen zu stark werden, könnten sie die Toleranz in der Gesellschaft abschaffen. Was ist die Lösung? Um tolerant zu bleiben, muss eine Gesellschaft paradoxerweise Grenzen setzen: Sie sollte offen für verschiedene Meinungen sein. Aber sie muss sich auch gegen extreme Intoleranz wehren können.

Beispiel: Die in Teilen als gesichert rechtsextremistisch eingestufte deutsche Partei AfD verwendet häufig intolerante Narrative unter dem Deckmantel der Toleranz. Damit verlangen sie eine Toleranz gegenüber intoleranten Inhalten und überschreiten somit die Grenzen der Toleranz.

Titelbild: https://pixabay.com/illustrations/penrose-triangle-escher-3d-octane-6948661/ (bearbeitet)

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Toleranz-Paradoxon

Tags

Toleranz, paradox, Grenzen

tuxnix
Geschrieben von tuxnix am 24. Januar 2025 um 18:18

Nichts gegen Carl Popper und das Toleranz-Paradoxon. Du hast es aber nicht richtig erklärt, sondern stattdessen lediglich die Folgen aufgezeigt, die eintreten, wenn man der Toleranz keine Grenzen setzt.

Was ist ein Paradoxon? 2+5=17-2, ist eine paradoxe Aussage. In der Mathematik und in der Psychologie untersuchte man Anfang des letzten Jahrhunderts, wie es zu solchen widersprüchlichen Aussagen kommen kann und entdeckte, dass immer dann solche paradoxen Aussagen zustande kommen können, wenn sich das was links vom Gleichheitszeichen steht sich auf einer ganz anderen Ebene befindet wie das was auf der rechten Seite steht. Der Widerspruch bei einem Paradox entsteht wenn Dinge miteinander gleich gesetzt werden die nichts miteinander zu tun haben.

Das Toleranz Paradoxon kann man auflösen, denn es handelt sich dabei auch nur um einen scheinbaren Widerspruch. Toleranz gilt immer dem Leben gegenüber und seinen verschiedenen Erscheinungsformen und Äußerungen. Toleranz muss man deshalb auch nicht gegen Äußerungen üben, wenn jemand darin erklärt das Leben Anderer nicht zu achten, es grob einschränken oder gar abschaffen will. Wenn man weiß, dass Toleranz immer auf der Seite steht, bei der sich das Leben entfaltet, gibt es keinen Widerspruch mehr, wenn Meinungen nicht geduldet werden, die sich gegen das Leben richten.

Robert
Geschrieben von Robert am 24. Januar 2025 um 21:05

In den Ausführungen bei Popper wird Intoleranz mit 2 Dingen definiert ... https://de.wikipedia.org/wiki/Toleranz-Paradoxon

  1. "Verweigerung eines rationalen Diskurses" Das ist ein Debatten-Auslöser, weil zu Beginn jeder Diskussionsteilnehmer den anderen, aus seiner persönlichen Perspektive heraus, latente Unwissenheit vorwirft. Genau deswegen redet man ja und tauscht Informationen aus. Kann natürlich zum Hauptproblem einer jeden Debatte werden, wenn die Teilnehmer nicht aufeinander eingehen und dei vorgetragenen Argumente reflektieren. Gut, dann redet man eben aneinander vorbei, aber das hat doch nichts mit Intoleranz sondern zu tun. Das ist Ignoranz!

¿und-oder?

  1. "Aufruf zur und Anwendung von Gewalt gegen Andersdenkende und Anhänger anderer Ideologien." Die Androhung von Gewalt ist ein strafbares Delikt, ein Verbrechen. Es KANN Intoleranz dahinterstecken, muss aber nicht zwangsläufig der Fall sein. Es gibt 1000 Gründe für Gewaltdelikte, die mit Toleranzaspekten nichts zu tun haben. Jemand kann dir auch einfach so ohne Grund die Fresse pollieren.

Der zweite Punkt ist in der Tat ein Paradoxon, weil Popper sich damit am Ende des Wikiartikels selbst widerspricht, Zitat: "Aber wir sollten für uns das Recht in Anspruch nehmen, sie, wenn nötig, mit Gewalt zu unterdrücken". Was Popper als Intoleranz definiert hat, fordert er für sich selbst als "Ultima Ratio". Da beißt sich die Schlange in den eigenen Schwanz. Entweder gilt die Gewaltregel, also unsere Gesetze, für alle oder eben nicht. BTW: Das Gewaltmonopol hat nur der Staat alleine, kein Popper, kein Internet-Forum und kein Diskussionsteilnehmer.

Warschonimmerso
Geschrieben von Warschonimmerso am 7. Februar 2025 um 03:08

"Da beißt sich die Schlange in den eigenen Schwanz." -- nicht wirklich, denn aus dem non-aggression principle ergibt sich nicht, dass man sich eine Freiheit nehmen lassen sollte, und da man ein Redeverbot nicht durch Widerworte brechen kann, bleibt nur 'to bring a gun to a fistfight' um die freie Meinungsäußerung und damit die Freiheit an sich zu schützen. "Alles von Wert ist wehrlos" (Lucebert) und wer sie nicht schützt, verspielt geerbte Freiheiten schnell.

Erwin
Geschrieben von Erwin am 25. Januar 2025 um 00:05

Dein Beitrag geht HAARSCHARF ..an meiner Intoleranz vorbei ;)

Christoph
Geschrieben von Christoph am 25. Januar 2025 um 01:08

Das Paradox hört aber leider nicht damit auf, dass zur Verteidigung der Toleranz Intoleranz nötig ist, sondern hat eine aporetische Fortsetzung. Die besteht darin, dass die Beschränkung der Toleranz zur Verteidigung der Toleranz eben tatsächlich die Toleranz beschränkt und das Problem dabei ist, dass dies den Punkt erreichen kann, wo es dann keine Toleranz mehr gibt. Eine ganz wichtige Rolle spielt dabei die rechtfertigende Feststellung, die Gegner seien Feinde der Toleranz, weshalb die Toleranz ihnen gegenüber eingeschränkt werden müsse. Alles hängt dann davon ab, ob diese Feststellung tatsächlich zutreffend ist und das heißt auch, dass entscheidend wird, wer sie aufgrund welcher Kriterien und Interessen trifft und mit welchen Maßnahmen der Toleranzentzug dann durchgesetzt wird.

Warschonimmerso
Geschrieben von Warschonimmerso am 7. Februar 2025 um 03:31

Genau so ist es, und das gehört zur Wahrheit auch mit dazu. Meinungsfreiheit gab es nämlich auch in der DDR-Verfassung, und es gibt sie sogar in der aktuellen Verfassung Chinas (Artikel 35: "Citizens of the People’s Republic of China shall enjoy freedom of speech, the press, assembly, association, procession and demonstration."). Man darf eben den sozialistischen Legalitätswahn nicht vergessen, denn "Eine demokratisch beschlossene Ungerechtigkeit bleibt eine Ungerechtigkeit, auch, wenn Sie formaljuristisch kein Unrecht darstellt." (frei nach Uwe Knierim) Darum sind die Grundrechte, auch das der freien Meinungsäußerung in erster Linie Abwehrrechte gegen den Staat (status negativus), und daran ändert sich auch nichts, wenn der Staat beispielsweise pseudoprivate Vorfeldorganisationen mit Zensuraufgaben betraut. Darum ist das Grundgesetz vom Konzept her super: Die Freiheiten und Schutzrechte des Einzelnen sind gegeben, stehen im Mittelpunkt, und bedürfen insbesondere weder einer Begründung (zB Ariernachweis, Parteibuch, …) noch dienen sie einem Zweck (kein "hehres Ziel" oder "großes Ganzes" herrscht, sondern nur die Willkür eines jeden einzelnen über sich selbst).

Peter
Geschrieben von Peter am 25. Januar 2025 um 12:09

Sehr spannendes Thema, danke für den Beitrag!

Aus meiner Sicht eines der Themen, auf das wir nie eine eindeutige Antwort haben werden. Es ist eher ein ständiges Ringen, ein unaufhörliches "nachjustieren" der Begrifflichkeiten.

Zu beachten wäre m.E. insbesondere, dass "die Gesellschaft" nie an diesen Diskussionen teilnimmt (da sie nicht als Meinungsblock existiert), sondern die Individuen die sich einbringen (oder eben nicht). Und deshalb darf man es Individuen m.E. nicht erlauben allgemeingültig und verbindlich zu definieren, was tolerabel ist und was nicht.

Es bleibt bei der alten Weisheit: Eine Demokratie lebt von Bedingungen, die sie selbst nicht garantieren kann (oder so ähnlich :) ).

Warschonimmerso
Geschrieben von Warschonimmerso am 7. Februar 2025 um 04:29

"Zu beachten wäre m.E. insbesondere, dass "die Gesellschaft" nie an diesen Diskussionen teilnimmt (da sie nicht als Meinungsblock existiert), sondern die Individuen die sich einbringen (oder eben nicht). Und deshalb darf man es Individuen m.E. nicht erlauben allgemeingültig und verbindlich zu definieren, was tolerabel ist und was nicht."

So ist es. Man muss eben scharf unterscheiden zwischen dem, was geradewegs verboten ist, und dem, das einfach nur unsäglich oder unvorstellbar ist. Das Fehlen genau dieser Trennschärfe hat Jahrzehntelang den Unzucht-Paragraphen § 175 StGB am Leben erhalten, unter dem Schwule verfolgt wurden: Selbst etwas, das für die Mehrheit unsäglich oder unvorstellbar ist, gehört noch lange nicht für alle verboten, sondern es kommt ganz massgeblich darauf an, welche Freiheiten und Schutzrechte unbeteiligter oder unfreiwilliger Dritter verletzt werden.

Blindfisch
Geschrieben von Blindfisch am 25. Januar 2025 um 19:29

Schöner Artikel. Ich sehe die Schwierigkeit in der Regel m nicht in der Eingrenzung der Toleranz an sich, sondern im genannten Beispiel im Begriff "diskreditieren". Diskreditiere ich Personengruppen bereits dadurch, dass ich nicht die gleichen Werte oder Einstellungen habe wie sie? In den aktuellen Debatten kann man diesen Eindruck jedenfalls gewinnen, wo häufig bereits die Äußerung anderslautender Meinungen schnell als "Hetze" und die fehlende Übereinstimmung mit bestimmten Positionen sofort als "Hass" kategorisiert wird.

Ralf Hersel Admin
Geschrieben von Ralf Hersel am 26. Januar 2025 um 18:17

Danke. Nein, grundsätzlich diskreditiert man eine Gruppe oder Person nicht, wenn man andere Werte oder Einstellungen hat. Die Äusserung einer anderslautenden Meinung ist in einer demokratischen Gesellschaft absolut notwendig und erwünscht. Es gibt Dünnhäutige, die Hass und Hetze vermuten, obwohl es nicht der Fall ist. Wenn du sagst: "Mir gefällt dein Hemd nicht, weil ..." oder "Ich mag Partei XY nicht, weil ...", so ist das weder Hass noch Hetze, sondern deine Meinung.

Doch beim Toleranz-Paradoxon geht es um das andere Ende der Wurst. Dabei wird tatsächlicher Hass, Hetze, Lüge, Desinformation mit dem Argument der Toleranz gerechtfertigt. Beispiel: "Man wird doch wohl noch den Holocaust leugnen dürfen; wenn dir das nicht passt, bist du intolerant." Die freie Meinung endet dort, wo Hass, Hetze und Lügen verbreitet werden.

Warschonimmerso
Geschrieben von Warschonimmerso am 7. Februar 2025 um 04:15

Die freie Meinung endet juristisch dort, wo die Straftat beginnt, und weder "Lüge", "Desinformation", "Hass" noch "Hetze" sind Straftatbestände. Betrug, Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung und Volksverhetzung hingegen schon. Wer heute allerdings nur eine unbequeme Wahrheit ausspricht, wird bereits gecancelt, und zwar mit genau diesen Kunstbegriffen zur Begründung. Der Verweis, man müsse ja keine der grossen Plattformen nutzen kann dabei nicht gelten, wie die Blinkfüer-Entscheidung des Verfassungsgerichts von 1969 aufzeigt: "Das Ziel der Pressefreiheit, die Bildung einer freien öffentlichen Meinung zu erleichtern und zu gewährleisten, erfordert deshalb den Schutz der Presse gegenüber Versuchen, den Wettbewerb der Meinungen durch wirtschaftliche Druckmittel auszuschalten."

Das dürfte so auch für die Meinungsäußerung von Privaten gelten; freilich hat 1969 noch niemand im Karlsruher Gericht geahnt, dass es eines Tages Facebook, Twitter und Co geben wird. Darum dürfte es langfristig keinen Bestand haben, dass versucht wird, die Abwehrrechte gegen den Staat zu umgehen, indem der Staat die Zensur eben auf staatsfinanzierte "non-governmental" Organisationen überträgt, denn die Grundrechte sind nicht vor- oder nachgelagert, sondern sie durchdringen das gesamte Rechtswesen und sind bei jedem Satz mitzudenken.

Sascha
Geschrieben von Sascha am 26. Januar 2025 um 20:10

In der Diskussion um Toleranz tauchen immer wieder viele Doppelbegriffe auf, die an "Doppelsprech" aus dem Buch "1984" von George Orwell erinnern.

Sind es die Guten, dann nennt man deren Meinung "Haltung zeigen", sind es die Bösen, dann nennt man deren Meinung "Hass & Hetze". Die Guten nennt man Aktivisten und die Bösen nennt man Extremisten. Wenn eine politische Forderung von den Guten kommt, spricht man von einer “demokratischen” Sache, wenn sie von den Bösen kommt, dann ist die Sache “populistisch”. Die Guten "solidarisieren" sich, die Bösen "rotten sich zusammen". Was die Guten bei der “Meldestelle Respect” machen nennt man "melden” und wenn die Bösen das gleiche machen nennt man es "denunzieren". Ist es gut, nennt man es Kohlendioxid oder Kohlensäure, ist es schlecht, nennt man es CO2. Beispiel mit Bild: https://x.com/lowIQcontent/status/1260643322688831489

Doppelsprech ist bei den allermeisten Menschen ziemlich fest in ihr persönliches Weltbild integriert, so dass sie sich dieser Art der Manipulation gar nicht mehr bewusst werden. Leider bemerken Leute nicht, dass Doppelbegriffe nur die Intoleranz weiter fördert und die eigene Bubble verstärkt. Auf beiden Seiten, bei den Guten & den Bösen!

Ralf Hersel Admin
Geschrieben von Ralf Hersel am 26. Januar 2025 um 22:09

Meinst Du "Neusprech" oder "Doppeldenk"? "Doppelsprech" gibt es bei Orwell nicht. Ich vermute, dass Du "Doppeldenk", also "Kognitive Dissonanz" meinst. Und ja, das Gute der Guten war schon immer das Böse der Bösen, mit unterschiedlichen Worten dafür. Der springende Punkt ist doch die Diskursverschiebung zwischen dem vermeintlich Guten und Bösen.

Warschonimmerso
Geschrieben von Warschonimmerso am 7. Februar 2025 um 03:56

"Diskreditierung" ist wie "Hass und Hetze": man kann mehr oder weniger alles darunter verstehen, und genau das ist das enorme Risiko daran (und mMn auch die Absicht hinter der medialen Etablierung dieser Kunstbegriffe, die allesamt einem Narrativ dienen). Anders sieht es natürlich aus mit Volksverhetzung (§ 130 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB: Ehrverletzung), üble Nachrede (§ 186 StGB: unbewiesene Tatsache) und Verleumdung (§ 187 StGB: falsche Tatsache). Diese Begriffe sind durch die Rechtsprechung inzwischen ziemlich klar beschrieben. Deinen Gedankengang hatte im Kontext von Schmähkritik auch das Verfassungsgericht: "Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassung wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht" (Erster Senat, 29. Juni 2016)

Newt
Geschrieben von Newt am 26. Januar 2025 um 13:33

Das Toleranz Paradoxon muss in allen Bereichen des Lebens stets eingehalten werden, wenn man eine gerechte Welt haben möchte.

Warschonimmerso
Geschrieben von Warschonimmerso am 7. Februar 2025 um 02:50

"Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus precieux de l'homme nach Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist (BVerfGE 5, 85 [205]). Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, "the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom" (Cardozo)." -- Lüth-Urteil (Erster Senat des Bundesverfassungsgerichts, 15. Januar 1958)

"Es gibt kein richtiges Leben ohne falsches." -- padeluun; "I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it." -- Evelyn Beatrice Hall; "Truth is treason in the empire of lies." -- Ron Paul

Freie Diskursräume sind in der Summe geradezu lebenswichtig, und zwar online ( https://www.youtube.com/watch?v=bVV2Zk88beY ) wie auch offline ( https://www.youtube.com/watch?v=fw0vS0qvYo0 ).